Apotheken sollen Telemedizin-Terminals erhalten

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Geht es nach den Plänen der Ampelkoalition, gibt es in Apotheken schon bald Terminals, an denen sich Patienten telemedizinisch beraten lassen können. / Foto: imago images/photothek

(Artikel erschienen in der Pharmazeutische Zeitung online)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am heutigen Donnerstag die gesundheitspolitische Digitalstrategie der Ampelkoalition vorgestellt. Das E-Rezept, die E-Patientenakte (EPA) und der E-Medikationsplan (EMP) sollen demnach 2024 verpflichtend kommen – inklusive Einlösung über die elektronische Gesundheitskarte (EGK). Überraschend ist, dass in den Apotheken Telemedizin-Terminals aufgestellt werden sollen.

Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) wird in Kürze zwei Gesetzesinitiativen starten, die beide Umstellungen im Bereich der Digitalisierung mit sich bringen. Das Digitalgesetz soll den Versorgungsalltag mit digitalen Lösungen verbessern. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) soll dazu beitragen, pseudonymisierte Gesundheitsdaten für die Forschung nutzen zu können. Dies soll Deutschland als Forschungsstandort wieder attraktiv machen, denn zuletzt waren Unternehmen wie beispielsweise Biontech dazu in andere Länder – etwa nach Großbritannien – abgewandert.

Für die Apotheken sind die angekündigten Neuerungen des Digitalgesetzes ebenfalls bedeutend. Hier eine Übersicht:

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1)    Bis Ende 2024 soll die elektronische Patientenakte (EPA) für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden (Opt-Out). Sie soll künftig als zentrale Plattform für ihre Gesundheitsversorgung fungieren können. Wer nicht explizit dagegen stimmt, erhält ab 2024 automatisch eine solche digitale Gesundheitsakte. Gleichzeitig kann der Patient individuell entscheiden, wem er Zugriffsrechte auf diese Akte gewähren will. Lauterbach ist dabei zuversichtlich, dass die Mehrheit der Versicherten die EPA nutzen wird. »Die meisten Patienten werden froh sein, endlich Zugang zu ihren Versorgungs- und Gesundheitsdaten zu haben«, so der Minister heute bei der Vorstellung der Digitalisierungsstrategie in Berlin. Die Nutzung bringe »nur Vorteile, keine Nachteile«. Als Indikator für die Bereitschaft zur EPA-Nutzung in der Bevölkerung nennt Lauterbach das Beispiel Österreich. Hier hätten bei der EPA-Einführung lediglich 3 Prozent einer Nutzung widersprochen, heißt: 97 Prozent nutzen die EPA.

2)    Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden. Außerdem soll das E-Rezept sowohl mit der elektronischen Gesundheitskarte (EGK) als auch mit einer EPA-App eingelöst werden. Zur Erklärung: Die Einlösung via EGK war bislang von den Datenschützern blockiert. Erst kürzlich hatte die Gematik jedoch ein neues Verfahren vorgestellt, das den Datenschutzvorgaben entsprechen soll. Die E-Rezept-Einlösung via EPA-Apps der Krankenkassen ist neu. Viele Experten hatten dies nicht gewollt. Schließlich werden die EPA-Apps durch die Krankenkassen kontrolliert. Die Befürchtung ist, dass die Kassen zu viele Einblicke und somit Kontrollmöglichkeiten in das Verordnungsverhalten der Ärzte und das Abgabeverhalten der Apotheken erhalten. Diese Sorge ist jedoch unbegründet, wie Lauterbach heute erklärte. Die Kassen haben demnach keinen Zugriff auf die Daten in der EPA. »Die EPA gehört allein den Patienten. Sonst niemandem«, so der Minister.

3)    Auch das Projekt des E-Medikationsplans (EMP) soll endlich vorangebracht werden. Eigentlich ist der EMP schon längst möglich und kann erstellt werden. Wie bei der E-Rezept-App gibt es aber auch hier sehr komplexe Anmeldeverfahren, sodass bislang nur wenige Patienten davon profitierten. Die Ampelkoalition plant nun, dass die EPA in enger Verknüpfung mit dem E-Rezept für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten, digitalen Medikationsübersicht befüllt wird. Das selbsterklärte Ziel des Bundesgesundheitsministerium (BMG): Bis Ende 2025 sollen 80 Prozent der EPA-Nutzenden mit mindestens einem Arzneimittel eine digitale Medikationsübersicht haben.

4) Assistierte Telemedizin soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken angeboten werden können, insbesondere in hausärztlich unterversorgten Regionen. Wie genau dieses Projekt umgesetzt werden soll, wer die Terminals betreibt und wer sie finanziert, ist bislang allerdings nicht klar. Das Ziel: Bis 2026 soll es laut BMG in mindestens 60 Prozent der hausärztlich unterversorgten Regionen eine solche Anlaufstelle geben.

5)    Die Gesellschaft für Telematik (Gematik) wird zu einer Digitalagentur in 100 Prozent Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt und in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt. Die Mitsprache der Selbstverwaltung, die bislang ja als Gesellschafter Teil der Gematik ist, wird aber weiterhin gewährleistet sein, so Lauterbach.

6) Ein interdisziplinärer Ausschuss, der unter anderem mit Vertretern des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie aus den Bereichen Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dies ersetzt den bisherigen Prozess der Einvernehmensherstellung mit BSI und BfDI. Die Datenschützer haben also künftig keine klassischen Vetorechte mehr.

7)    Behandlungs-Programme (Disease-Management-Programme) sollen um stärker digitalisierte Programme ergänzt werden.

Konkrete Details zu allen diesen Plänen gibt es derzeit noch nicht – Lauterbach kündigte erste Gesetzentwürfe für die kommenden Wochen an. »In den Grundzügen sind beide Gesetze derzeit schon formuliert«, so der Minister. Jetzt geht es demnach um den Feinschliff.

Forschung: Zentrale Stelle für Datenzugang und Koordinierung

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz soll ferner den Aufbau einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle gewährleisten, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (etwa Krebsregister, Abrechnungsdaten der Krankenkassen) ermöglicht.  Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen wird über Forschungspseudonyme ermöglicht. Die Daten bleiben dezentral gespeichert. »Dies  ist ein sicheres System«, betonte Lauterbach. Ein Missbrauch sei nicht möglich, versicherte er. Dies unterstrich auch der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Michael Hallek, bei der Vorstellung der Digitalstrategie in Berlin. Viele befürchteten eine Beschneidung des Datenschutzes, aber das Gegenteil sei der Fall. »Die neuen Lösungen sind sicherer als die derzeitigen, bei denen die Daten separat in den Silos liegen.« Diese seien zwar auch geschützt, aber eben »nicht perfekt geschützt«.

Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird zudem weiterentwickelt: Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können. Entscheidend für die Anfragen ist der Nutzungszweck, nicht der Absender. Außerdem soll die federführende Datenschutzaufsicht für bundesländerübergreifende Forschungsvorhaben auf alle Gesundheitsdaten erweitert werden. Die datenschutzrechtliche Aufsicht erfolgt dann also nur noch durch eine/n Landesdatenschutzbeauftragte/n. Lauterbach hofft hier auf ein einheitliches Verfahren der Länder.

Mit dem Datennutzungsgesetz soll zudem die Datenfreigabe aus der EPA vereinfacht werden und künftig nutzerfreundlich in der EPA-App zu steuern sein (Opt-Out). Pseudonymisierte EPA-Daten sollen zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein.

Artikel ©  Pharmazeutische Zeitung online